Neurologie

Die Universitätsklinik für Neurologie am Evangelischen Krankenhaus Oldenburg behandelt alle neurologischen Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur. Zur raschen Versorgung von Schlaganfallpatienten steht eine spezialisierte Stroke Unit zur Verfügung, während für Patienten mit schweren und hochkomplexen Erkrankungen eine neurologisch-internistische Intensivstation vorgehalten wird. Die ambulante Versorgung erfolgt in der Neurologischen Hochschulambulanz im Medizinischen Versorgungszentrum (MEVO).

Prof. Dr. med. Karsten Witt
Facharzt für Neurologie
Direktor der Klinik für Neurologie
Ärztlicher Direktor für Forschung und Lehre am Evangelischen Krankenhaus

Der Schwerpunkt unserer Forschung liegt in der kognitiven Neurologie, das heißt, wir beschäftigen uns mit kognitiven Veränderungen, die im Rahmen neurologischer Erkrankungen auftreten. Wir setzen dabei verschiedene Methoden ein, die von klinischen Studien bis hin zu hochauflösendem EEG und funktioneller Bildgebung reichen, das heißt, wir untersuchen Veränderungen der höheren Hirnleistungen, die im Rahmen einer neurologischen Erkrankung auftreten, mit naturwissenschaftlichen Methoden.

Derzeit haben wir drei Schwerpunkte:

Wie Bewegungsstörungen kognitive Kontrollmechanismen beeinflussen.

Wie der Energiestoffwechsel des Körpers kognitive Kontrollmechanismen beeinflusst.

Wie Demenzerkrankungen früher und besser klassifiziert werden können.

In weiteren Studien untersuchen wir die zerebrale Hämodynamik nach Schlaganfall und die Immunantwort bei entzündlichen Hirnerkrankungen wie der Multiplen Sklerose.

Wir geben Ihnen hier einen Einblick in unsere Arbeit, wir verbinden klinische und forschende Tätigkeit, weil wir der festen Überzeugung sind, dass klinische und grundlagenwissenschaftliche Ausrichtung zielführend zusammenwirken, um Ergebnisse zu erzielen, die der Therapie und auch der Lebensqualität unserer Patienten zugutekommen.

Die wissenschaftlichen Schwerpunkte der Universitätsklinik für Neurologie liegen in den Bereichen Bewegungsstörungen und kognitive Neurologie.

Aktuelle Forschungsthemen sind

  • Gedächtnisstörungen bei Morbus Parkinson: Einfluss von Schlaf und Kognition und Auswirkungen auf den Alltag
  • Interaktion von Emotion und Kognition auf motorische Prozesse
  • Neurofeedback zur Behandlung des Morbus Parkinson
  • Transkutane Stimulation des N. vagus zur Behandlung von kognitiven Störungen und Gangstörungen bei Morbus Parkinson
  • Transkranielle AC-Stimulation (tACS) zur Behandlung von Bewegungsstörungen bei Morbus Parkinson
  • Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) bei der Behandlung des ischämischen Schlaganfalls

Chirurgische Eingriffe zur Gewichtsreduktion gewinnen immer mehr an Bedeutung. Die neueste Methode ist der Roux-Y-Magenbypass, bei dem ein Teil des Dünndarms verkürzt wird. Dadurch kann der Körper weniger Nahrung aufnehmen und speichern. Außerdem tritt das Sättigungsgefühl schneller ein, der Mensch nimmt also ab.

Es konnte bereits mehrfach gezeigt werden, dass der Eingriff mit einer deutlichen Reduktion des Körpergewichts, der Diabetesrate und anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Herzinsuffizienz einhergeht.

Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) werden die Auswirkungen der Operation auf die Hirnfunktionen untersucht.

Mobilität hat einen entscheidenden Einfluss auf die Selbstständigkeit, weshalb das Gehen eine wichtige Rolle für die Lebensqualität spielt und Einschränkungen des Gehens als besonders beeinträchtigend empfunden werden. Auch zahlreiche neurologische Krankheitsbilder wie Neuropathien, Schlaganfall, Multiple Sklerose und Morbus Parkinson sind durch Gangstörungen gekennzeichnet. Um Auffälligkeiten im Gangbild frühzeitig zu erkennen, werden sensorbasierte Ganganalysen eingesetzt. Als Goldstandard hat sich das GAITRite®-System etabliert, bei dem durch einfaches Begehen einer mit zahlreichen Sensoren bestückten Matte Gangparameter wie Gehgeschwindigkeit, Schrittlänge, Schrittweite und deren Schwankungen erfasst werden.  Nachteile des Systems sind jedoch die nicht unerheblichen Kosten sowie die Notwendigkeit geschulten Personals, weshalb das GAITRite®-System nur in speziellen klinischen Einrichtungen zur Verfügung steht.

Um die Ganganalyse auch in Arztpraxen und Pflegeheimen zu ermöglichen, werden daher einfachere und kostengünstigere Systeme benötigt. Im Rahmen einer Studie, die in Kooperation mit dem Institut für Informatik (OFFIS) durchgeführt wird, soll zunächst untersucht werden, ob eine 3D Consumer-Kamera, die Microsoft® 40 Azure™ Kinect™ (Microsoft Corporation, WA, USA), Gangparameter im Vergleich zum Goldstandard GAITRite® Electronic Walkway (2) valide messen kann. Da die kamerabasierte Erfassung auch das Mitschwingen der Arme sowie eine Analyse der Geschwindigkeit, Amplitude und Rhythmik der Handbewegungen ermöglicht, soll im weiteren Verlauf eine komplexe Analyse der Bewegungsmuster mit der Microsoft® 40 Azure™ Kinect™ im klinischen Setting und im häuslichen Umfeld der Patienten durchgeführt werden.

Referenzen

(1) Bamji, C.S.; Mehta, S.; Thompson, B.; Elkhatib, T.; Wurster, S.; Akkaya, O.; Payne, A.; Godbaz, J.; Fenton, M.; Rajasekaran, V.; Prather, L.; Nagaraja, S.; Mogallapu, V.; Snow, D.; McCauley, R.; Mukadam, M.; Agi, I.; McCarthy, S.; Xu, Z.; Perry, T.; Qian, W.; Chan, V.H.; Adepu, P.; Ali, G.; Ahmed, M.; Mukherjee, A.; Nayak, S.; Gampell, D.; Acharya, S.; Kordus, L.; O’Connor, P. IMpixel 65nm BSI 320MHz demodulated TOF Image sensor with 3µm global shutter pixels and analog binning. Digest of Technical Papers – IEEE International 337 Solid-State Circuits Conference 2018, 61, 94–96. doi:10.1109/ISSCC.2018.8310200.

(2) Inc, C.S. GAITRite electronic walkway technical reference manual, 2013.

Die kognitive Neurologie befasst sich mit kognitiven Beeinträchtigungen (z.B. Gedächtnis, Wahrnehmung, Sprache) als Folge von Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Wir konzentrieren uns insbesondere auf die kognitiven Symptome der Parkinson-Krankheit. Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die vor allem mit einer Verschlechterung der motorischen Fähigkeiten einhergeht. Weniger bekannt ist, dass Parkinson auch zu Defiziten in kognitiven Funktionen führt, wie z.B. der Entscheidungsfähigkeit (im Kontext der experimentellen Psychologie) und der kognitiven Kontrolle. An der Universitätsklinik werden derzeit mehrere Studien zu diesem Thema durchgeführt.

Eines unserer Projekte beschäftigt sich mit der Frage, wie Parkinson-Patienten ihnen bekannte Informationen nutzen, um Entscheidungen zu treffen. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass Patienten mit Morbus Parkinson ein Defizit in der Integration von bereits bekannten Informationen in ihren Entscheidungsprozessen haben. Dieses Defizit ist keine Nebenwirkung der Parkinson-spezifischen Medikation, sondern wird vielmehr mit einer Dysfunktion der Basalganglien in Verbindung gebracht. Ziel dieser Studie ist es, die Ursache dieses Defizits genauer zu untersuchen und das Phänomen weiter einzugrenzen. Dazu werden Verhaltensdaten mit elektrophysiologischen Aufzeichnungen der Kortexaktivität kombiniert.

In einem weiteren Projekt beschäftigen wir uns mit möglichen Defiziten der kognitiven Kontrolle bei Parkinson. Grundsätzlich beschreibt kognitive Kontrolle die Fähigkeit, das eigene Verhalten an einen variablen Kontext der Umwelt anzupassen und zu regulieren. Theoretische Modelle dieser Funktion postulieren dabei, dass zwei unterschiedliche Mechanismen von Kontrollfunktionen unterschieden werden können: Ein bewusster aktiver Kontrollmechanismus und ein unbewusster passiver Kontrollmechanismus. Beide Mechanismen sind bei Parkinson-Patienten vorhanden.

Im Rahmen des Potenzialbereichs „mHealth – mobile virtuelle Klinik“ der Fakultät VI arbeitet die Universitätsklinik für Neurologie an Konzepten zur Verbesserung der digitalen Patientenversorgung. Dazu werden Anwendungen für mobile Endgeräte wie Tablets und Smartphones entwickelt, die ergänzende Möglichkeiten für den Informationsaustausch zwischen Patienten und dem behandelnden medizinischen Fachpersonal im Therapieverlauf neurologischer Erkrankungen bieten.

Zentral für den hier verfolgten Ansatz ist, dass das medizinische Fachpersonal durch die Informationen, die über digitale Geräte von den Patientinnen und Patienten abgefragt werden können, ein detaillierteres Bild über den Krankheitsverlauf erhält.

Die entwickelten Apps können so in die bestehende Kommunikation während einer Behandlung integriert werden und diese um weitere Möglichkeiten ergänzen. Beispielsweise bieten Tablets nicht nur die Möglichkeit, etablierte Fragebögen zum Befinden zur Verfügung zu stellen und die Ergebnisse direkt mit dem behandelnden Personal zu kommunizieren, sondern auch mit Hilfe der integrierten Sensorik relevante Bewegungsparameter neurologischer Symptome zu erfassen.

Das Immunsystem ist im gesamten Organismus aktiv. Als Abwehrsystem dient es dem Schutz und der Unversehrtheit des Körpers. Ein autoaggressives Verhalten des Immunsystems kann jedoch an verschiedenen Organsystemen auftreten und zu Erkrankungen führen. So kann beispielsweise im peripheren Nervensystem (PNS) Polyneuropathien und im zentralen Nervensystem (ZNS) die Multiple Sklerose (MS) als häufigste Form einer Autoimmunerkrankung auftreten.

Bei der MS werden Strukturen im Gehirn und Rückenmark als fremd erkannt und bekämpft. Dabei wird durch ein Netzwerk verschiedener Zellen des Immunsystems eine lokale Entzündungsreaktion ausgelöst, die zu Gewebeschäden und Ausfallerscheinungen führt. Das Krankheitsbild der MS ist jedoch deutlich vielgestaltiger und nicht nur durch lokale Schädigungen erklärbar. So können auch systemische Symptome wie chronische Erschöpfung (Fatigue) und teilweise kognitive Beeinträchtigungen auftreten, die den Alltag beeinträchtigen.

Neben der experimentellen Erforschung des Immunsystems (z.B. Interaktion von B- und T-Zellen) und seiner Wechselwirkung mit dem Nervensystem stehen daher auch klinische Untersuchungen, z.B. zu systemischen Aspekten der MS, im Mittelpunkt unseres Forschungsinteresses.

Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit und obwohl die Behandlung der Parkinson-Krankheit häufig auf die Therapie der motorischen Symptome fokussiert, zeigen Studien, dass die nicht-motorischen Symptome die Lebensqualität der Patienten stärker beeinflussen als die motorischen Symptome. Da die Bedeutung der nicht-motorischen Symptome bei Parkinson-Patienten und deren Behandlungsbedarf in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, werden an der Universitätsklinik für Neurologie derzeit Studien zu diesem Thema durchgeführt.

In einer Studie wird untersucht, wie zuverlässig Parkinson-Patienten die Ausprägung nicht-motorischer Symptome im OFF aus dem Gedächtnis angeben können (wie dies im Rahmen der ambulanten ärztlichen Sprechstunde geschieht). Im Rahmen der Studie wird unter kontrollierten Bedingungen in einem stationären Setting umfassend getestet, ob sich die Angaben von Parkinson-Patienten zur Ausprägung nicht-motorischer Symptome in einem imaginierten schlecht medizierten Zustand von den Angaben in einem tatsächlich schlecht medizierten Zustand (vor einem im Rahmen der Parkinson-Diagnostik indizierten L-Dopa-Test) unterscheiden. Für die Erhebung wurde ein iPad-basierter Fragebogen entwickelt, der in Zukunft Parkinson-Patienten als App zur Verfügung gestellt werden könnte.

Ein weiteres Projekt untersucht den Effekt einer nicht-invasiven, nicht-medikamentösen Behandlungsmethode, der transkutanen Vagusnervstimulation (t-VNS), auf nicht-motorische Symptome, insbesondere Stimmung und kognitive Funktionen bei Parkinson-Patienten. Die t-VNS basiert darauf, dass ein sensibler Ast des Vagusnervs im Bereich der Ohrmuschel mit elektrischen Impulsen durch die Haut stimuliert werden kann und hat eine europäische Zulassung (CE-Zeichen) für die Behandlung von Epilepsie, Depression und Schmerz. Im Rahmen der Studie untersuchen wir neben der Wirkung der t-VNS auf die Stimmungslage auch den Einfluss der t-VNS auf die Depression.

Die zerebrovaskuläre Autoregulation ist ein Mechanismus, dessen Aufgabe es ist, die Durchblutung des Gehirngewebes konstant zu halten. Bei Blutdruckschwankungen im Körperkreislauf kann sie als Schutzfunktion über mehrere Angriffspunkte die Durchblutung des Gehirns rasch regulieren. Besondere Bedeutung hat die zerebrale Autoregulation bei Erkrankungen wie dem ischämischen Schlaganfall. Dabei wird das Hirngewebe durch einen Verschluss der hirnversorgenden Gefäße nicht mehr ausreichend mit Blut und Nährstoffen versorgt und geht zugrunde. Durch diese Schädigung ist auch die Selbstregulation des Gehirns gestört und kann ihre Aufgaben nicht immer ausreichend erfüllen.

Derzeit werden die Auswirkungen der Lagerung von Patienten nach einem akuten Schlaganfall bei gestörter zerebraler Autoregulation erforscht. Dazu werden langsame Spontanschwingungen der Blutdruckkurve mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) gemessen, um die Autoregulation zu charakterisieren.

Patienteninformationen zur Universitätsklinik für Neurologie